Der politische Schlachtplan

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Manche Genossen verstehen nicht, wozu wir Verbündete benötigen, wozu wir eine Volksfront brauchen, weshalb ein Einparteiensystem für uns nicht gangbar ist. Diese Genossen legen oftmals viel Wert auf Militärmackertum, ohne selbst Ahnung vom Militärwesen zu besitzen, und haben praktisch statt einer Revolution einen Militärputsch im Auge. Sie betrachten die Massen als passiv und sich selbst als Generalissimusse, die sie nicht sind. Womöglich ist das auf den negativen Einfluss der RAF zurückzuführen, die den Massen keine Bedeutung zukommen ließen und als kleine Klitsche einen Putsch in der BRD versuchten, womit sie ideologisch gesehen sich aufführten wie die Narodniki mit ihrer Heldentheorie. Deshalb werde ich die marxistische Bündnispolitik mit militärwissenschaftlichen Bezügen darlegen.

Was ist ein Krieg? Carl von Clausewitz definierte ihn so: „Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen.“1 Auch der Klassenkampf ist ein andauernder Krieg. Über den politischen Charakter des Krieges schrieb Clausewitz folgendes: „Der Krieg ist ein Instrument der Politik, er muss notwendig ihren Charakter tragen, er muss sich mit ihrem Maß messen; die Führung des Krieges in seinen Hauptumrissen ist daher die Politik selbst, welche die Feder mit dem Degen vertauscht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren eigenen Gesetzen zu denken.“2 Mao Tsetung machte daraus später dies: „Die Politik ist Krieg ohne Blutvergießen, der Krieg ist Politik mit Blutvergießen.“3 Unsere Klasse, die Arbeiterklasse, befindet sich in einem Klassenkrieg mit der Bourgeoisie. Derzeit hat die Bourgeoisie die Oberhand. Das müssen wir mit einberechnen. Sunzi sagte einst, dass man sich vor einem Kampf die Erfolgschancen ausrechnen soll4. Das betrifft konkrete Aktionen, diese benötigen aber eine generelle Größe der Massenbewegung. Wir müssen es also schaffen, die Initiative in der Hand zu haben und das in ausreichender Stärke.

Dafür benötigen wir Verbündete. Diese suchen wir uns nicht willkürlich aus, sondern schauen nach den Interessen der Gruppierungen, mit denen wir einen Bund eingehen. Sunzi sagte einst: „Ohne die Absichten der Lehnsfürsten zu kennen, lassen sich keine Bündnisse schmieden.“5 Wir leben nicht im antiken China und gehen dementsprechend kein Bündnis mit Feudalherren ein, aber wir gehen Klassenbündnisse mit der Kleinbourgeoisie ein und der Arbeiterklasse, die in ihrer Denkweise verfangen ist, ohne antisozialistisch zu sein. Welche Kräfte stechen da ins Auge? Unser mächtigster Bundesgenosse und die Klassengrundlage unserer Bewegung ist die Arbeiterklasse selbst. Das sollte klar sein. Ohne die wissenschaftliche Führung durch die marxistische Ideologie der Arbeiterklasse würden wir in kleinbürgerlichen Halbheiten versinken. Aber ohne kleinbürgerliche Unterstützung wird unser Weg steiniger als notwendig. An möglichen kleinbürgerlichen Bündnispartnern gibt es einige Gruppierungen: pro-sozialistische Patrioten, christliche Sozialisten, humanistische Sozialisten, Öko-Sozialisten und islamische Sozialisten, wenn man die ca 5% Moslems in Deutschland mit in Betracht zieht als eine signifikante Größe. Die NDPD, CDU (Ost) und LDPD können sicherlich für die ersten drei Gruppen als Vorbilder agieren, während bei den Letzteren man selbst überlegen müsste, wie eine angemessene Plattform für unser Land aussieht. Die Öko-Sozialisten nenne ich nicht bloß aus Opportunismus zu Fridays for Future, sondern weil der Sozialismus aufgrund seiner Planbarkeit auch die einzig mögliche Gesellschaftsform ist, die eine ökologisch verträgliche Wirtschaft zulässt. Die Volksmudschaheddin könnte man als einen Denkanstoß nehmen, wie die Plattform der islamischen Sozialisten aussehen könnte. Keinesfalls dürfen diese Gruppierungen im Kern sozialdemokratisch sein und nur dem Namen nach sozialistisch, sie müssen wirklich die Verwirklichung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung wollen, sie müssen Revolutionäre sein. Sonst würden wir mit ihnen auf keinen gemeinsamen Nenner kommen.

Nach der Frage der Verbündeten, der Massenbasis, nun zu einer qualitativen Frage: Klassenbewusstsein und Avantgarde. Damit verhält es sich, wie mit der Moral und Führung6 in der Militärwissenschaft: Wenn die Einzelnen wissen, wofür sie kämpfen, dann werden sie dafür auch motiviert sein, wenn es zu ihren Interessen passt; wenn die Anführer Wissen besitzen, Glaubwürdigkeit ausstrahlen und Disziplin besitzen, so wird man auf die hören. Wir müssen den Werktätigen klar machen, in welcher Klassenlage sie sich befinden, was ihre Interessen sind und wie man sie verwirklicht. Das müssen wir auf eine angemessene Weise tun, die natürlich auch ihren Kenntnisstand berücksichtigt und von ihren Erfahrungen lernt. Auf diese Weise verbindet man sich zu einem organischen Ganzen. Auf diese Weise werden wir auch neue Anführer aus den Massen heranziehen und sie dazu befähigen sich an der Organisationsarbeit zu beteiligen. Dies ist besonders wichtig, weil sich „jedes Gefecht in soviel einzelne Gefechte auflösen“ lässt „als Fechtende da sind“7, das heißt, dass sich das Ganze aus vielen kleinen Einzelteilen zusammensetzt. Eine Führung ohne Massenbasis ist ein Schiff ohne Wasser, handlungsunfähig. Ein entsprechendes Klassenbewusstsein bei einer Masse von Leuten würde wiederum bedeuten, dass wir auch eine Reihe von Anhängern bekämen, die für uns die wichtige Einzelagitation betreiben. Stalin sagte einst, dass uns Lenins Vermächtnis dies lehrt: „Lehnt niemals die Kleinarbeit ab, denn aus dem Kleinen entsteht das Große.“8 Aus zig Scharmützeln besteht ein Gefecht, aus zig Gefechten besteht eine Schlacht und aus zig Schlachten besteht ein Krieg. Ähnlich läuft es mit dem Weg der Revolution von der Einzelagitation bis hin zum Aufstand.

Wir müssen die Massen für unsere Sache gewinnen. Man muss versuchen aus den sozialdemokratischen Gewerkschaften möglichst intakte Gruppen rauszubrechen, um eine eigene Gewerkschaftsorganisation aufzubauen, die nicht von Klassenverrat zu Klassenverrat zu gehen. Eine gänzliche Übernahme der sozialdemokratischen Gewerkschaften ist unmöglich, dafür ist es ein zu verknöcherter Apparat und außerdem säubern sie ihnen bekannte Kommunisten schon seit Jahrzehnten heraus. Die Übernahme einer möglichst intakten Gruppeninfrastruktur ist auch eine militärtheoretische Doktrin9. Das erleichtert es, etwas Neues aufzubauen, birgt aber auch die Gefahr der Übernahme alter, fehlerhafter Marotten. Ähnlich können wir für manche andere Massenorganisation verfahren, die unserer Sache dienlich sein kann. Was die bürgerlichen Parteien betrifft, so brauchen wir „interne Spione“10, Mitglieder, die nur dazu beigetreten sind, um zu versuchen für unsere Sache Mitglieder abzuwerben und in unserer Volksfront zu organisieren. Das nennt Tan Daoji „Das Brennholz heimlich unter dem Kessel wegnehmen.“11; den bürgerlichen Parteien und Organisationen die Mitgliederbasis nehmen. Wenn es um örtliche Agitation geht, um Unorganisierte als Mitglieder zu gewinnen, benötigen wir „einheimische Spione“12, also Ortskundige Informanten, die uns darauf hinweisen, wo wir am erfolgreichsten agitieren können, um unsere Effektivität zu maximieren.

Wir müssen „für die Rückkehr der Seele einen Leichnam ausleihen“13, was für uns heißt, dass wir einige Formen aus früherer Zeit der Arbeiterbewegung aufnehmen sollten, ganz besonders von den Erfahrungen der DDR. Warum sind sie ein „Leichnam“? Diese alten Formen, so auch die DDR, existieren derzeit nicht mehr. Wenn man sie wiederbelebt, so wird es die gleiche Form haben, aber personell wird es eine Diskontinuität geben und man wird mit dem revisionistischen Ballast, der sich ansammelte, abrechnen müssen. Aber die „Seele“ wird zurückkehren, denn wir vertreten eine marxistische Linie, die Verwirklichung von Sozialismus und Kommunismus. Wir greifen alte Formen auf und machen sie „wieder flott“. Das Richtige behalten, das Falsche kritisieren und korrigieren. Das ist kein leerer Traditionalismus, sondern gelebte Tradition, stets mit der Frage: Welche Auswirkungen hat das Vergangene auf das Heute? Würden wir das nicht tun, so würden wir nicht aus Niederlagen lernen und einen Mangel an Kontinuität aufweisen, was den Erfahrungsschatz betrifft. Wir führen ihr Werk fort, aber nicht auf die gleiche Weise und nicht unter den gleichen Bedingungen, sondern auf ähnliche Weise unter ähnlichen Bedingungen, unter Korrektur der begangenen Fehler und unter Berücksichtigung der gemachten Erfahrungen. Nur so kommen wir voran und treten nicht auf der Stelle, die nun schon Jahrzehnte zurückliegt und somit einen massiven Rückstand vor der Realität darstellt.

Mögen diese Zeilen ein Denkanstoß sein, um sich selbst zu dem Thema der Bündnisarbeit einige Gedanken auszuarbeiten.

1Carl von Clausewitz „Vom Kriege“, Nikol Verlag, Hamburg 2012, S. 29.

2Ebenda, S. 734.

3Über den langwierigen Krieg“ (Mai/Juni 1938) In: Mao Tse-tung „Ausgewählte Werke“, Bd. II, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1968, S. 179.

4Vgl. Sunzi „Die Kunst des Krieges“, Insel Verlag, Berlin 2013, S. 13. Siehe dazu auch Anmerkung I auf S. 71.

5Ebenda, S. 54.

6Siehe: Ebenda, S. 11.

7Vgl. Carl von Clausewitz „Vom Kriege“, Nikol Verlag, Hamburg 2012, S. 833.

8An die ´Rabotschaja Gaseta´“ (21. Januar 1925) In: J. W. Stalin „Werke“, Bd. 7, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 13.

9Siehe: Sunzi „Die Kunst des Krieges“, Insel Verlag, Berlin 2013, S. 17.

10Siehe: Ebenda, S. 60.

11Worte von Tan Daoji aus den „36 Strategemen“.

12Siehe: Sunzi „Die Kunst des Krieges“, Insel Verlag, Berlin 2013, S. 60.

13Worte von Tan Daoji aus den „36 Strategemen“.

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