Neuausgabe der Ausgewählten Werke Mao Tsetungs

Seit der Restauration des Kapitalismus in den meisten sozialistischen Ländern, darunter auch China, kam es zu keiner Neuausgabe der Werke der Klassiker, abgesehen von einzelnen Werken in Form von Broschüren. Dem war bis zu diesem Jahr so. Anfang 2020 kündigte der in Paris ansässige Verlag Foreign Languges Press1 an, die Bände VI bis IX der Ausgewählten Werke von Mao Tsetung in englischer Sprache neu herauszugeben. Das ist die wohl freudigste Nachricht auf dem Gebiet marxistischer Publizistik in diesem Jahr. Bisher sind Band VI und VII erschienen. Band VIII und IX sollen noch im Verlaufe des Jahres folgen.

Es handelt sich dabei um Ergänzungsbände zu der offiziellen, in Peking erschienenen fünfbändigen Ausgabe, welche in den 90er Jahren in Indien erschienen sind. Diese sammelten Werke von Mao zusammen, welche als Einzelausgaben oder Übersetzungen vorlagen, aber nicht in die offizielle Werkausgabe integriert worden ist. Eine der häufigsten Quellen ist die Rote-Garden-Ausgabe von Mao-Werken „Mao Zedong Sixiang wansui!“ (Es leben die Mao-Tsetung-Ideen!) aus den späten 60er Jahren. Weitere Quellen sind unter anderem die Ausgewählten Briefe von Mao Tsetung, die 1983 nur in Chinesisch erschienen sind und seitdem nie in Gänze übersetzt wurden, sowie offensichtlicherweise die Ausgabe „The Writings of Mao Zedong“, die in den 80er Jahren lediglich in zwei Bänden erschien und englischsprachige Übersetzungen von Werken der Jahre 1949 bis 1957 beinhaltet.

Band VI enthält Werke der Jahre 1917-1946, darunter wichtige Werke wie „Gegen die Buchgläubigkeit“, „Über Lu Hsün“ und das Interview mit Günther Stein im Juli 1944. Es sei angemerkt, dass dieser Band abgesehen von einigen offensichtlichen Schreibfehlern keine größere Redigierung erfahren hat. Die indischen Herausgeber hatten teilweise ohne weitere Angaben Artikelserien zu einem kürzen Werk zusammengefügt, ohne kenntlich zu machen, welche Abschnitte aus welchem Artikel entnommen wurden („Frau Tschaos Selbstmord“), Artikel unnötigerweise in zwei Titel aufgeteilt wurden („Die Ehre der Han: Hin zu einem neuen goldenen Zeitalter“ und „Die große Einheit der Volksmassen“), kurze Schriften ohne ersichtlichen Grund um ein paar Abschnitte gekürzt worden sind („Die Rolle der Händler in der nationalen Revolution“ und „Brief an das spanische Volk“) und beim Interview mit Günther Stein, abgesehen von einem Schreibfehler des Namens, die Fehlinformation, dass er ein amerikanischer Journalist gewesen sei. Tatsächlich war er jedoch ein in Deutschland geborener Journalist, der später die britische Staatsangehörigkeit annahm. Das Problem ist nicht die Authentizität der Werke, diese tauchen ohnehin ebenfalls in „Mao´s Road to Power“, herausgegeben von Stuart Schram, auf. Das Problem bei diesem Band ist die mangelnde Redigierung.

Band VII enthält Werke der Jahre 1949-1957, darunter Maos historisch bedeutsame Rede zur Ausrufung der Volksrepublik China und bedeutsame Werke wie Maos Artikel zum Tode Stalins, Maos Abschnitte zum Artikel „Über die historischen Lehren der Diktatur des Proletariats“, welche die Frage der Widersprüche im Sozialismus und der historischen Einschätzung Stalins behandeln, sowie sein Gespräch mit Musikern im August 1956. Dieser Band erfuhr eine deutliche Redigierung. Man ersetzte die Wade-Giles-Transkription von Namen und Orten durch die offizielle chinesische Pinyin-Transkription, überarbeitete Anmerkungen, korrigierte Schreibfehler und ergänze einen Index.

Band VIII und IX lassen noch auf sich warten, man kann sie aber im Internet abrufen2. Es sei an dieser Stelle jedoch angemerkt, dass diese, wie Band VI, alle Fehler der indischen Herausgeber unkorrigiert mit sich tragen und Band VII nicht einmal annähernd vollständig digitalisiert worden ist, abgesehen davon, dass bei Band VI in der Online-Version ebenfalls ein Werk fehlt. Die Inhalte von Band VIII und IX liegen außerdem in Deutsch vor in der Ausgabe „Mao Zedong Texte“, herausgegeben von Helmut Martin, jedoch sind diese Bände selten und sehr teuer.

Der Preis von 15$ pro Buch in dieser Neuausgabe, zuzüglich Versand, ist für hiesige Verhältnisse nicht allzu hoch. Außer bei Band VII mag jemandem, dem es egal ist, ob er eine gedruckte Ausgabe in Händen hält, oder bloß von einem Bildschirm abliest, nicht der Reiz entstehen, mehr als diesen einen Band sich zuzulegen. Für diejenigen aber, die lieber blättern, als scrollen, sei jedoch die ganze Ausgabe empfohlen.

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