Philanthropie wird die Menschheit nicht retten!

Wenn überreiche Menschen die Welt retten wollten, hätten sie’s getan, weil das Geld haben sie.”1 – Marlene Engelhorn

Großkapitalisten, die einen kleinen Teil ihres Vermögens für Stiftungen ausgeben, werden gerne als “Weltverbesserer” dargestellt. In der Feudalzeit nannte man dies Mäzenatentum, in der kapitalistischen Gesellschaft Philanthropie. Die Verlogenheit dieser Philanthropen stellte zuletzt Tim Schwab in seinem Buch “Das Bill-Gates-Problem” am Beispiel des Microsoft-Konzerngründers dar, nämlich, dass selbst die angebliche Wohltätigkeit Profitinteressen dienen würde.

Das Thema der Philanthropie wurde in den vergangenen Jahren besonders im deutschsprachigen Raum Thema, als BASF-Nachkommin Marlene Engelhorn 25 Millionen Euro (90% ihres Erbes2) an einen “Guten Rat für Rückverteilung” übergab, weil sie feststellte, dass eine Verteilung der Geldsumme nach ihrem Gutdünken nicht demokratisch wäre3. Ihren Schritt begründete sie unter anderem damit, dass für das Geld andere gearbeitet hätten4. In der Ballung großen Vermögens in den Händen weniger sieht Marlene Engelhorn außerdem eine “Gefährdung der Demokratie”, weil diese mit diesem Geld eben großen Einfluss nehmen können5. Sie selbst ist ja, und das merkte sie immer wieder an, ein Beispiel dafür. Der “Gute Rat für Rückverteilung” schien bei den Mitgliedern des Rates auch positiv aufgenommen worden zu sein als ein demokratisches Mittel6. Ich bestreite nicht, dass darin ein Stückchen ökonomische Demokratie drinsteckt. Es ist lediglich so, dass durch den Erbverzicht einiger Kapitalisten nicht die Bourgeoisie als Klasse abgeschafft wird.

Marlene Engelhorn gründete im November 2021 die Initiative “Taxmenow”. In Deutschland gibt es seit 1997 keine Vermögenssteuer mehr, in Österreich bereits seit 1993 nicht mehr und seit 2008 sogar keine Erbschafts- und Schenkungssteuer mehr7. Das heißt: Die Reichen haben mehr Netto vom Brutto. Dagegen richtet sich Marlene Engelhorns Aktivismus. Sie selbst führt dafür Zahlen an:

Laut Arbeiterkammer besitzt 1 % der Bevölkerung in Österreich 40 % des Vermögens im Land.”8

In Deutschland besitzt ein Prozent der Bevölkerung laut DIW und DGB 35 Prozent des Vermögens, die reichsten zehn Prozent besitzen zusammen sogar 65 Prozent, während die Hälfte der Menschen sich keine drei Prozent teilt oder Schulden hat. Unvorstellbar? Spielen wir das Kuchenspiel. In Deutschland wird ein Kuchen unter zehn Personen so aufgeteilt: Ein Mensch bekommt sechseinhalb Stück Kuchen, fünf Menschen bekommen ein paar Krümel. Die Ungleichheit ist nicht nur unbestreitbar, sie ist auch absurd.”9

Diese Zahlen sind erschreckend und frei verfügbar. Wo bleibt die Aufregung im werktätigen Volk? Man kann polemisch fragen:

In was für einer Welt leben wir eigentlich, in denen die Kapitalakkumulation soweit fortgeschritten ist, dass sich eine Gruppe von Multimillionären herausgebildet hat, die zu höheren Vermögenssteuern aufrufen? Es ist klar gegen ihre bürgerlichen Klasseninteressen, also von Idealen getrieben. Aus sozialistischer Sichtweise genügt dies nicht, dennoch ist es interessant zu beobachten und gleichzeitig eine Peinlichkeit für die Arbeiterklasse, denn es zeigt, dass einige Teile der Bourgeoisie größere Forderungen an sich selbst stellen als die Arbeiterklasse an die Bourgeoisie.

Jule Hoffmann von der “Zeit” schreibt: “Natürlich wundert es niemanden, dass vermögende Menschen ihr Geld horten. Aber dass es die Politik nicht schafft, eine angemessene Vermögenssteuer einzuführen – die im Übrigen lediglich dafür sorgt, dass Reiche langsamer reicher werden als bisher –, das sollte doch das Potenzial haben, jede Menge Menschen auf die Straße zu treiben. Milliardäre schaden der Demokratie.”10 Das Mobilisierungspotential wäre da (trotz “Neid”-Debatten von neoliberalen Politikern; dabei ist doch klar, dass ein Nichterbe niemals einen Erbenden einholen kann im Leben11), also sollte man es auch politisch nutzen.

Dieses Gerede über eine höhere Reichensteuer geht in die richtige Richtung, bringt überhaupt das Vermögen der Kapitalisten in die Debatte ein, aber ist an für sich keine Lösung. Selbst Warren Buffet verspricht, dass er nach seinem Tod 99% seines auf 142 Milliarden Dollar geschätzten Vermögens spenden, nicht vererben, wird12. Auch damit löst sich die Bourgeoisie nicht auf, sondern er schafft Platz für andere, vormals kleinere Kapitalisten, hochzukommen und diesen auszufüllen. Dieser Akt der Philanthropie ändert also am System gar nichts.

Der Gedanke, dass man sich mit Geld von Schuld freikaufen könnte, stammt aus den Apokryphen des Alten Testaments, die auch für die katholische Lehre vom Ablass die Grundlage lieferten.

Im Buch Tobit heißt es: “Almosen retten vom Tode und bewahren vor der Finsternis.”13

Im Buch Sirach heißt es: “Wie das Wasser ein brennendes Feuer löscht, so tilgt das Almosen die Sünden.”14

Es ist offensichtlich, dass in der heutigen säkularisierten Gesellschaft, vor allem nicht in den vormals protestantisch geprägten Teilen, diese Verse eine unmittelbare Wirkung besitzen würden. Dennoch spiegeln sich darin im Wesentlichen die bürgerlichen Ideen über die Philanthropie wider, nämlich, dass man sich von Verantwortung freikaufen könnte.

Die Philanthropie ist als würde ein Broträuber Krümel zurückschicken. Manchen liberalen Einfaltspinseln mag das genügen und als Wohltat erscheinen. Es ist aber klar, dass Philanthropie den Klassenwiderspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie nicht aufhebt, sondern, bestenfalls, mindert (also so wie Sozialreformen).

Philanthropie rettet nicht die Welt, sondern ist ein Mittel zur Erhaltung des Status quo.

13Tobit 4, 10

14Sirach 3, 30

//