Wichtige Lehren für kommunistische Kader – Rezension des „Marxismus-Leninismus-Maoismus Grundkurs“

In früheren Zeiten wurde der dicke Wälzer „Geschichte der KPdSU(B) – Kurzer Lehrgang“ für Parteikader zum lesen empfohlen. Mittlerweile sind jedoch Jahrzehnte vergangen, in denen es noch mehr ideologische Lehren aus praktischen Erfahrungen zusammenzufassen gilt und dies aus verschiedenen Ländern. Natürlich hat dieses Buch noch seinen Zweck für das Studium der sowjetischen Erfahrungen, aber es ist als Einsteigerwerk zu lang und zu konkret. Yuan Zhen sagte: „Willst schwimmen du im Meere, dann bade erst im Fluß.“1 Bevor man sich an tiefergehendes Wissen wagt, sollte man sich erst die Grundlagen aneignen.

Es ist deshalb ein glücklicher Umstand, dass die KP Indiens (Maoisten) einen „Marxismus-Leninismus-Maoismus Grundkurs“2 abgefasst hat, der um die 250 Seiten umfasst und die wichtigsten Lehren von Marx bis Mao darstellt. Es gibt zwar einige Mängel, aber diese sind Nebensache. In der Hauptsache ist der „Grundkurs“ lehrreich. Es sei an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die Kapitel des Buches dargelegt.

Kapitel 1: Einleitung. Dieses Kapitel legt dar, wieso es für Kader unerlässlich ist, sich mit den ideologischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus-Maoismus zu befassen. Wichtig sei es nicht, viele Bücher auswendig zu kennen, sondern deren Grundprinzipien.

Kapitel 2: Was ist Marxismus-Leninismus-Maoismus? Dieses Kapitel erklärt, wieso der Marxismus-Leninismus-Maoismus nicht einfach die Ideen von Marx, Lenin und Mao sind, sondern aus welchen philosophischen, politischen und ökonomischen Lehren diese wissenschaftliche Ideologie ausgeht. Außerdem wird erklärt, wie die verschiedenen Stufen der Entwicklung des Marxismus zustande gekommen sind.

Kapitel 3: Sozioökonomische Bedingungen, die zur Entstehung des Marxismus führten. Dieses Kapitel schildert im Umriss die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die die materielle Grundlage für die Entstehung des Marxismus bildeten. Es wird also aufgezeigt, dass Marx und Engels keine Genies waren, die sich etwas aus dem Nichts heraus ausgedacht hätten.

Kapitel 4: Die frühen Leben von Marx und Engels, bevor sie zu Marxisten wurden. Dieses Kapitel beginnt mit der Aussage: „Offensichtlich kann niemand als Marxist geboren werden – nicht einmal Marx.“ Entsprechend folgen biographische Abrisse der Leben von Marx und Engels bis zum Jahre 1844.

Kapitel 5: Drei Quellen des Marxismus. Dieses Kapitel behandelt dasselbe Thema, wie das gleichnamige Werk Lenins, aber in stark komprimierter Fassung: Der Marxismus hat seine Wurzeln in der klassischen deutschen Philosophie, der klassischen englischen Politökonomie und dem französischen utopischen Sozialismus.

Kapitel 6: Die Grundlage der marxistischen Philosophie: Dialektischer und historischer Materialismus. Dieses Kapitel behandelt die Entwicklung des dialektischen Materialismus aus dem dialektischen Idealismus Hegels und dem mechanischen Materialismus heraus, aber nur sehr skizzenhaft. Der historische Materialismus wird ebenso skizzenhaft bloß als historische Entwicklung der Produktivkräfte und deren Rückwirkung auf die Gesellschaft umrissen. Es gibt in diesem Kapitel keine sachlichen Fehler, aber die Ausführlichkeit bei einem so essentiellen Thema der marxistischen Theorie lässt stark zu wünschen übrig. Anhand dieser Beschreibungen kann keiner den dialektischen Materialismus selbstständig anwenden, weil man ihn anhand dieses Kapitels nicht allumfassend versteht.

Kapitel 7: Der Kampf gegen den utopischen Sozialismus und die Begründung des wissenschaftlichen Sozialismus. Dieses Kapitel legt im wesentlichen den Unterschied von utopischem und wissenschaftlichem Sozialismus dar und endet mit dem Kommunistischen Manifest. Es geht also im Wesentlichen um ein Stück frühmarxistischer Geschichte.

Kapitel 8: Marxistische politische Ökonomie. Dieses Kapitel behandelt hauptsächlich, dass das Fundament des Kapitalismus in der Lohnarbeit liegt und diese einen Klassenantagonismus hervorruft. Außerdem werden einige Folgewidersprüche aus der Lohnarbeit behandelt. Die Ausführlichkeit ist ausreichend.

Kapitel 9: Der Marxismus verbindet sich mit der Arbeiterklasse. Dieses Kapitel behandelt die Verbreitung der marxistischen Ideologie und deren Organisationen vom Bund der Kommunisten über die Erste Internationale bis hin zur Pariser Kommune. Auch dieses Kapitel ist ein Stück frühmarxistische Geschichte.

Kapitel 10: Die Lehren der Pariser Kommune. Dieses Kapitel geht auf die Fehler der Pariser Kommune ein und deren Reflexion durch Marx. Wieder ein Stück frühmarxistische Geschichte.

Kapitel 11: Die Verbreitung des Marxismus und der Aufstieg des Opportunismus. Dieses Kapitel behandelt im Wesentlichen die Gründung der SPD durch Marxisten und Lassalleanern und den Kampf gegen die opportunistischen Ideen des Lassalleanismus durch Marx und Engels. Im weiteren Verlauf geht das Kapitel auf das Aufkommen des Revisionismus durch Eduard Bernstein ein. Das ist ein wichtiges Stück Geschichte des Revisionismus sowie ein wichtiges Stück Parteigeschichte.

Kapitel 12: Marxismus in Russland – Das frühe Leben Lenins. Dieses Kapitel liefert einen Abriss von Lenins Leben bis zum Jahre 1900 und erwähnt Plechanows herausragende Rolle bei der Verbreitung des Marxismus in Russland.

Kapitel 13: Lenin und die proletarische Partei neuen Typus. Dieses Kapitel behandelt die Entwicklung der Bolschewiki aus der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands heraus bis zum Jahre 1905. Lenins Anschauungen zu dieser Zeit werden im Überblick dargelegt.

Kapitel 14: Die russische bürgerliche Revolution von 1905: Die Entwicklung der proletarischen Taktik. Dieses Kapitel behandelt die Geschichte und Erfahrungen der Revolution in Russland im Jahre 1905. Lenins Ansichten zur damaligen Situation werden kurz umrissen.

Kapitel 15: Erster Weltkrieg: Opportunismus versus revolutionäre Taktik. Dieses Kapitel befasst sich primär mit der Anti-Kriegs-Deklaration der Zweiten Internationale und deren Missachtung. Das negative Beispiel der SPD und der Kampf von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gegen die Kriegspolitik der SPD werden hervorgehoben, wie auch das positive Beispiel der SDAPR(B) unter Lenin abgehandelt wird.

Kapitel 16: Lenins Analyse des Imperialismus, der höchsten Stufe des Kapitalismus. Dieses Kapitel vermittelt dem Leser die Kernideen von Lenins Imperialismustheorie.

Kapitel 17: Die Große Sozialistische Oktoberrevolution. Dieses Kapitel liefert eine Geschichtsstunde von den Hintergründen der Oktoberrevolution seit 1905 bis hin zu ihrer Durchführung im Schnelldurchlauf.

Kapitel 18: Die Gründung der Dritten Internationale. Dieses Kapitel vermittelt einen kurzen Überblick über die Umstände der Gründung der Komintern.

Kapitel 19: Die nationale und koloniale Frage. Dieses Kapitel behandelt primär die Kernthesen von Stalins Werk „Marxismus und nationale Frage“ und Lenins Sicht auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Kapitel 20: Das frühe Leben und die revolutionären Beiträge Stalins bis zur Revolution 1917. Dieses Kapitel liefert einen biographischen Überblick von Stalins Jugendzeit bis zur Oktoberrevolution. Seine ideologischen Beiträge dieser Zeit bleiben weitgehend unberücksichtigt.

Kapitel 21: Sozialistischer Aufbau – Die russische Erfahrung. Dieses Kapitel befasst sich mit dem sozialistischen Aufbau in der Sowjetunion unter Lenin und Stalin sowie Maos kritischen Anmerkungen aus der Retrospektive.

Kapitel 22: Der Kampf gegen den Trotzkismus und anderer opportunistischer Elemente. Dieses Kapitel befasst sich primär mit Stalins Kampf gegen den Trotzkismus und dessen Überwindung.

Kapitel 23: Die Taktik während des Zweiten Weltkriegs. Dieses Kapitel befasst sich mit der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs seit der Großen Depression. Die Analyse des Faschismus auf dem VII. Komintern-Kongress im Jahre 1935 nimmt einen bedeutenden Teil dieses Kapitels ein, genauso wie Außenpolitik der Sowjetunion während dieser Zeit. Der Endpunkt des Kapitels bildet die Auflösung der Komintern im Jahre 1943.

Kapitel 24: Maos frühe Jahre. Dieses Kapitel liefert einen biographischen Überblick über Maos Leben bis zum Jahre 1923.

Kapitel 25: Maos Kampf gegen die rechten und „linken“ Linien und der Sieg der chinesischen Revolution. Dieses Kapitel legt Maos revolutionären Pfad seit 1924 dar. Es befasst sich mit den revisionistischen Abweichungen von Chen Duxiu, Zhang Guotao, Li Lisan und Wang Ming genauso wie mit Maos ideologischem und politischen Wirken in der Zeit bis zum Sieg im Volkskrieg in China 1949.

Kapitel 26: Der Pfad der Revolution für Kolonien und Semi-Kolonien. Dieses Kapitel befasst sich mit der Neuen Demokratie (Maos Begriff für Volksdemokratie) als revolutionären Pfad für die kolonialen und halbkolonialen Länder. Es wird außerdem ein Artikel, der am 27. Januar 1950 in der Kominform-Zeitschrift „Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie“ erschienen ist angeführt, der den Pfad der chinesischen Revolution propagierte.

Kapitel 27: Mao über Philosophie. Dieses Kapitel befasst sich im Wesentlichen mit den Inhalten von Maos Werken „Über die Praxis“ und „Über den Widerspruch“. Der antagonistische Widerspruch, Maos Beitrag zur Weiterentwicklung des dialektischen Materialismus, findet zwar Erwähnung, wird aber nicht explizit als Neuerung herausgestellt.

Kapitel 28: Mao über die Partei. Dieses Kapitel befasst sich mit Maos Ausführungen über die Parteiorganisation. Es handelt vom demokratischen Zentralismus, der für alle marxistisch-leninistischen Parteien verbindlich ist, wie auch vom Kampf der zwei Linien innerhalb der Partei und der Massenlinie.

Kapitel 29: Sozialistischer Aufbau – Die chinesische Erfahrung. Dieses Kapitel liefert einen Überblick über den sozialistischen Aufbau in China unter Mao.

Kapitel 30: Die Große Debatte – Maos Kampf gegen Chruschtschows modernen Revisionismus. Dieses Kapitel befasst sich mit der antirevisionistischen Position, die die KP Chinas unter Mao nach Chruschtschows offen revisionistischer Kurswende auf dem XX. Parteitag der KPdSU einnahm.

Kapitel 31: Die Große Proletarische Kulturrevolution. Dieses Kapitel behandelt die Geschichte der Großen Proletarischen Kulturrevolution und würdigt sie als „Maos größten Beitrag zur marxistischen Theorie“, weil sie aufgezeigt habe, dass man die kapitalistische Restauration durch eine revisionistische Clique verhindern könne.

Kapitel 32: Nach Maos Tod. Dieses Kapitel befasst sich mit den internationalen Auswirkungen der chinesischen Revolution auf die Ausrichtung marxistischer Parteien in aller Welt und die kapitalistische Restauration in China unter Deng samt deren Auswirkungen auf den Kurs der KP Chinas.

Abgesehen von dieser Sinn ergebenden Struktur des Buches und der Darlegung von Grundlagenwissen gibt es aber auch Anlass zur Kritik an bestimmten Punkten. Die revisionistische Sowjetunion wird als „bürokratisch-kapitalistisch“ beschrieben und Pol Pot wird als aufrichtiger Genosse angesehen. Diese Ansichten stimmen nicht. Sie sollen hier erwähnt sein, ohne sie auszuwalzen. Diese Mängel ergeben sich aus den ideologischen Positionen der KP Indiens (Maoisten). Es gibt einen größeren Mangel, der den Apparat des Buches betrifft:

Fußnoten mit Quellenangaben sind gewissermaßen Lesetipps. In diesem Buch fehlen sie leider bei den Zitaten der Klassiker. Statt also Interesse am tieferen ideologischen Studium dadurch zu wecken, dass man auf wichtige Werke der Klassiker namentlich verweist, muss man selbst belesen genug sein, um ungefähr zu wissen, wo diese Zitate zu finden sind. Man setzt also Tiefenwissen in einem „Grundkurs“ voraus, oder man hat sich keine Gedanken darum gemacht, wie es anschließend weitergehen soll. Es wäre also angebracht, wenn eine Neuausgabe des Buches entsprechende Quellenabgaben aus den Sammelbänden zitiert, damit ein Nachschlagen einfacher wird und der Leser interessiert wird dafür, selbst bei den Klassikern nachzuschauen.

Ein Lehrbuch wegen einiger Fehler komplett zu verwerfen bedeutet, dass man das Kind samt dem Bade ausschüttet. Es ist generell keine gute Sache, wenn man unkritisch liest, denn so durchdenkt man das Gelesene nicht, sondern kopiert es bloß von den Seiten in den Kopf. Dabei bleibt das methodische Denken auf der Strecke.

Was der „Marxismus-Leninismus-Maoismus Grundkurs“ bietet, ist ein Abriss von ideologischen Kerninhalten und historischem Kontext. Das sind zwei Sachverhalte, die vor allem junge Kader benötigen, um zum einen praktisch verwertbares Wissen zu besitzen, andererseits verstehen, dass sich der Marxismus historisch entwickelt und erweitert hat im Klassenkampf gegen Bourgeoisie und der Auseinandersetzung mit dem Revisionismus als zersetzende Strömung der Arbeiterbewegung. Nur mit diesem Wissen ist es möglich, in Zukunft den Reformismus und Revisionismus zu verhüten. Deshalb sei der „Marxismus-Leninismus-Maoismus Grundkurs“ vor allem jungen Genossen trotz erwähnter geringfügiger Mängel zur Lektüre empfohlen.

1 „Yüen Dschen“ In: „Chinesische Weisheiten“, Anaconda Verlag, Köln 2016, S. 107.

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