Einfach und ehrlich – Wieso ein vermeintlich „zu simpler Sprachgebrauch“ kein Problem darstellt

Mir sind Kritiken zu Ohren gekommen, die den Artikel des Genossen Belisarius1 dafür kritisiert haben, dass dieser eine rhetorische Ausgefeiltheit und einen ausgiebigen Gebrauch von Fachsprache hat vermissen lassen. Genosse Belisarius ist, wie aus seinem Artikel ersichtlich wird, aus der untersten Schicht der Arbeiterklasse. Entsprechend spricht aus seiner Sprache die einfache, ehrliche und durchaus zutreffende Stimme eines Arbeiters. Ihm ist kein Vorwurf zu machen.

Wenig Verwunderung ruft hervor, wenn an dieser Stelle angemerkt sei, dass es sich dabei um Kritik von Studenten handelt. Es handelt sich dabei zwar um Intellektuelle, die der Arbeiterklasse entstammen, aber die Herkunft aus einer höheren Schicht macht sich bereits an dem Faktum bemerkbar, dass diese die Möglichkeit des Studiums besitzen. Diese wären doch sicherlich vom Intellekt und der sprachlichen Artikulationskünste her in der Lage Artikel abzufassen, welche sprachlich und inhaltlich eine höhere Qualitätsbeschaffenheit aufweisen, als der des Genossen Belisarius. Warum kommt von ihnen aber nichts in dieser Richtung? Menzius hatte offenbar recht, als er sagte: Der Fehler der Menschen ist, daß sie ihre eigenen Fehler liegen lassen und auf anderer Leute Felder Unkraut jäten, daß sie Schweres von andern verlangen und sich selbst nur Geringes zumuten.“2 Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Einreichung von Beiträgen nicht lediglich erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht ist. Diese Beiträge müssen, wie der Artikel von Genosse Belisarius beweist, keine Sprachepen sein. Auf den Inhalt kommt es an.

Eine altägyptische Weisheit besagt: „Sei gewandt im Reden, damit du die Oberhand behältst, denn die Zunge ist die Macht eines Mannes, und Reden ist erfolgreicher als jedes Kämpfen.“3 Diese Weisheit kann man nicht so stehen lassen. Es mag sein, dass Rhetorik eine gewisse Bedeutung besitzt. Sie kann aber nicht die Sonne unserer literarischen Galaxie bilden. Uns ist nicht damit geholfen, wenn wir Artikel verfassen, die sprachlich ein regelrechtes Feuerwerk darstellen, der Inhalt aber nicht bei unserer Zielgruppe ankommt – weil er vor lauter Sprachmasturbation zu kurz gekommen ist oder vom Publikum nur schwer verstanden wird, weil diesem die formale Bildung fehlt. Man kann meinen hier abgefassten Zeilen genau das vorwerfen – gerne doch! Zum Mitschreiben: Mein Anliegen ist es, aufzuzeigen, dass eine künstlich hochgestochene Sprache sich mehr wie die Regieanweisung für eine Komödie liest als wie das echte Vokabular des normalsterblichen Werktätigen auf der Straße, den es zu erreichen gilt.

Als Kommunisten sind wir die Vertreter des werktätigen Volkes, nicht einer akademischen Eliteclique. Gegenüber dem einfachen aber ehrlichen, geerdeten Wort eines Arbeiters übermäßige Stilkritik zu üben geht völlig an dem vorbei, wofür unsere Partei und unsere Bewegung steht. Martin Luther bevorzugte Prediger, deren Stil „einfältig“ gewesen ist, da man das Gepredigte dann wenigstens verstehen könnte4. Darauf kommt es an, nicht auf einen möglichst unverständlichen Stil wie ihn Kant und Hegel an den Tag legten. An deren Aussagen beißen sich praxisferne Intellektuelle in ihren Studierstuben bis auf den heutigen Tag die Zähne aus.

Man kann den Vorwurf tätigen, dass hierbei zu viel Fokus auf einem Einzelfall liegen würde. Aber wir können uns einen solchen Vorfall nur als Einzelfall erlauben, wenn wir uns nicht der Möglichkeit berauben wollen, eines Tages wieder eine Massenbasis unter den Arbeitern zu erhalten. Konfuzius sagte: Der Edle wählt nicht nach ihren Worten die Menschen und verwirft nicht nach den Menschen ihre Worte.“5 Man sollte Menschen mehr nach ihren Taten als nach ihren Worten bewerten und die Worte eines Menschen nicht gleich wegen dessen Herkunft verwerfen.

Die Denkweise, die hinter der obig erwähnten unnötigen Sprachstilkritik steckt, kann nicht isoliert betrachtet werden. Sie ist das Symptom einer Abkopplung der Intellektuellen von den Arbeitern. Dem muss dadurch entgegengewirkt werden, indem sich die Intellektuellen aus der Arbeiterklasse fragen, welcher Klasse sie dienen und vor allem auf welche Weise sie die Arbeiter am Besten erreichen.

3 „Altägyptische Lebensweisheiten“, Artemis Verlag, Zürich 1955, S. 54.

4 Vgl. Martin Luther „Tischreden“, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1987, S. 152.

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